Afrika und Diaspora

Vom Aufbau eines Marktes für zeitgenössische afrikanische Kunst in Frankreich bis hin zur Explosion der afroamerikanischen Kunst in den USA: Wir entschlüsseln das Geheimnis des „Afrikanischen Windes“, der den gesamten Kunstmarkt wachrüttelt.

Ein neuer tiefgreifender Trend durchdringt die zeitgenössische Kunstszene. Es handelt sich um die „zeitgenössische afrikanische Kunstszene“ im weitesten Sinne, die sich je nach Marktplatz anders zeigt. Während die Akteure des französischen Kunstmarktes seit Jahren intensiv daran arbeiten, zeitgenössische Künstler des afrikanischen Kontinents zu würdigen, entdecken die Briten gerade den Beitrag afrobritischer Künstler in ihrer Kulturgeschichte (und würdigen diese neu) und in Amerika steigen die Preise einiger wichtiger afroamerikanischer Künstler explosiv an.

Die „zeitgenössische afrikanische Kunstszene“ beschränkt sich somit nicht auf in Afrika geborene Künstler. Sie umfasst auch Künstler der selbst gewählten oder erzwungenen Diaspora und kulturelle Vermischungen unterschiedlichster Art: Afroeuropäer, Afroamerikaner oder Afropolitaner – ein Kofferwort, das vor zirka zehn Jahren auftrat, und eine entschieden kulturübergreifende Identität bezeichnet und in Lifestyle-Magazinen oft als Marketingargument überstrapaziert wird.

In den letzten Jahren haben Kuratoren, Institutionen, Historiker, Kritiker und Kunsthändler dieser „afrikanischen Kunstszene“ immer mehr Ausstellungen und Publikationen gewidmet.  Dieser neue kuratorische Trend wurde schnell vom Kunstmarkt übernommen. Der Markt selbst geht über die begrifflichen Grenzen hinaus und interessiert sich nur für die Möglichkeiten.

Inzwischen gibt es immer mehr Auktionshäuser, die Auktionen zum Thema Künstler mit afrikanischer Herkunft oder Botschafter eines afrikanischen Erbes organisieren. Sie fangen an, die Früchte ihres Erfolges  zu ernten, und setzen immer mehr auf die Entwicklung dieses Wachstumssektors.

Ausstellungen und Verbreitung

Es gab mehrere Ausstellungen, die beim Aufstieg der afrikanischen Szene eine wichtige Rolle gespielt haben, insbesondere in Frankreich – einem Land, das eine lange Geschichte mit Afrika verbindet. Die erste bedeutende Ausstellung fand 1989 statt: Les Magiciens de la Terre. Sie brachte die Künstler aller fünf Kontinente erstmals auf eine Stufe (Centre Pompidou, Paris). Die Kuratoren Jean-Hubert Martin und André Magnin spielten auch im weiteren Verlauf eine wesentliche Rolle.

Nachdem er im Laufe von 20 Jahren die „Contemporary African Art Collection“ von Jean Pigozzi (CAAC – eine Sammlung mit 15.000 Werken zeitgenössischer afrikanischer Künstler) zusammengestellt hatte, organisierte André Magnin entscheidende Ausstellungen (darunter Out of Africa in London, African Art Now in Houston, 100 % Africa im Guggenheim von Bilbao) und arbeitete am Aufbau eines Marktes für zeitgenössische afrikanische Kunst, wobei er Künstler wie Chéri SAMBA und Romuald HAZOUMÉ entdeckte.

Persönliche Auktionsrekorde afrikanischer zeitgenössischer Künstler

Künstler Titel Preis Datum Auktionshaus
Chéri SAMBA (1956) Le seul et unique devoir sacré d’un enfant (2007) 140.280 $ 12.06.2017 Cornette de Saint Cyr Paris
Romuald HAZOUMÉ (1962) Alexandra 31.121 $ 11.11.2016 Sotheby’s London
Frédéric BRULY BOUABRE (1923-2014) Costumes (2010) 70.364 $ 30.12.2017 Artcurial (S.V.V.) Paris
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16 Jahre später fand ein weiterer Meilenstein statt: Les Magiciens de la Terre, Africa remix (2005). Diese Wanderausstellung brachte Werke von Yinka SHONIBARE, Ghada AMER und Julie MEHRETU – einige der derzeit angesagtesten Künstler – nach Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Japan. Seit 2010 hat sich der Rhythmus der Ausstellungen stark beschleunigt. 2015 erzielte die Fondation Cartier einen phänomenalen Erfolg mit Beauté Congo (150.000 Besucher). Im darauf folgenden Jahr stellte Seydou KEITA im Grand Palais aus und 2017 fand in der Fondation Vuitton die Ausstellung Art/Afrique statt, während der Papstpalast in Avignon die Ausstellung Les éclaireurs, sculpteurs d’Afrique zeigte …

Diese und viele weitere Ausstellungen haben dazu beigetragen, das Publikum der sprudelnden Szene zeitgenössischer afrikanischer Kunst oder Kunst aus der Diaspora zu erweitern. Mehrere der Künstler, die an diesen Veranstaltungen teilnahmen, gehören seitdem zu den permanenten Kollektionen großer Museen, wie zum Beispiel des Centre Pompidou, der Tate Modern oder des MoMA.

Auch der Einfluss einer weiteren mächtigen Institution ist nicht zu unterschätzen: die Biennale von Venedig. 2013 wurde Angola als erstes afrikanisches Land mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet (Goldener Löwe für den besten nationalen Pavillon). Zwei Jahre später übernahm der nigerianische Künstler Okwui Enwezor die künstlerische Leitung der Biennale und der ghanaische Künstler El ANATSUI erhielt den Goldenen Löwen für sein Gesamtwerk. 2017 wurde eben dieser Künstler mit dem „Praemium Imperiale“ ausgezeichnet – dem Nobelpreis der Kunst.

Entwicklung der Kunstmessen und Auktionen

Parallel zu den zahlreichen Ausstellungen und Auszeichnungen hat auch die Einführung der Fachmesse „1-54“ den Kreis des Publikums und der potenziellen Käufer erweitert. 2013 läutete die französisch-marokkanische Unternehmerin Touria El Glaoui diese Messe in London ein, die sich auf Künstler aus afrikanischen Ländern und ihrer Diaspora spezialisiert hat. Der Name der Veranstaltung „1-54“ bezieht sich auf die 54 Länder des afrikanischen Kontinents. Diese Fachmesse erscheint wie eine Antwort auf die ungenügende Vertretung afrikanischer Künstler auf den großen internationalen Messen und verzeichnet seit ihrer Einführung einen wachsenden Erfolg. Die Messe 1-54 (15.000 Besucher jährlich), die ihren Ursprung in London hat, findet seit drei Jahren auch während der Frieze Art Fair in New York statt und macht mit einer ersten Ausgabe in Marrakesch dieses Jahr auch Premiere auf dem afrikanischen Kontinent. Die Fachmesse hat es geschafft, sich abzuheben und sich im internationalen Netzwerk einen Namen zu machen.

Die gleiche Feststellung gilt für Victoria Mann, die in Paris die Messe AKAA (Also Known As Africa) organisiert, um eine Kunstszene durch das Prisma Afrikas hervorzuheben, indem afrikanische Künstler und die wechselseitige Beeinflussung mit dem Rest der Welt präsentiert werden. Die auf der AKAA angebotenen Kunstwerke finden großen Anklang und eine dritte Ausgabe findet im November 2018 in Paris statt. Diese beiden Messen sind wichtige Faktoren für die Aufwertung der Kunstszene in Paris, London, New York und Marrakesch – Szenen, die auch die Auktionshäuser nicht unberührt lassen.

Die Konstruktion eines Marktsegments, das der zeitgenössischen „afrikanischen“ Kunst vorbehalten ist, ist ein nicht komplett neues Phänomen. Sotheby’s ebnete 1999 mit dem Verkauf eines Teils der Kollektion von Jean Pigozzi den Weg. In Frankreich erschloss das Auktionshaus Gaïa die zeitgenössische afrikanische Kunstszene seit 2007 und Bonhams in London seit 2009 – das war das Jahr, in dem eine erste Auktion mit dem Thema „Africa Now“ stattfand, welche jetzt jährlich abgehalten wird. Damals waren die Zuschlagspreise aufgrund weniger Liebhaber noch nicht so überzeugend, aber diese Gegebenheit hat sich von Grund auf geändert. Immer mehr Künstler haben einen Platz in den Institutionen ergattert und genießen die Vertretung durch Galerien.

Angesichts dieses viel versprechenden Kontextes springen die Auktionshäuser optimistisch mit auf und glauben an das enorme Potenzial dieses Marktes. Seit kurzem organisieren Artcurial und Piasa (Paris) Auktionen, die sich ausschließlich afrikanischer Kunst widmen. Sotheby’s hat 2017 in London sogar eine Fachabteilung für moderne und zeitgenössische afrikanische Kunst eröffnet. Die Eröffnungsauktion wurde mit 16 Rekorden abgeschlossen. Motiviert durch den phänomenalen Preisanstieg im Laufe der letzten fünf Jahre, mehren sich die Käufer in Paris, London, New York, Johannesburg und Kapstadt, während die großen Auktionshäuser um die wichtigsten Künstler kämpfen, die sich einen Ruf gemacht haben und für die weltweit eine starke Nachfrage herrscht, wie zum Beispiel nach Yinka SHONIBARE oder William KENTRIDGE.

Afrika-Auktionen im Vergleich

Titel Auktionshaus Datum Umsatz Verkaufte Lose Bestes Ergebnis
Africa Now Bonhams – London 28.02.2018 2.745.011 $ 58 1.661.472 $
Modern and Contemporary African Art Sotheby’s – London 16.05.2017 3.608.013 $ 79 940.816 $
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Außerhalb von London und Paris lässt sich in New York ein besonderes Phänomen beobachten: Hier findet ein starker Hype um einige afroamerikanische Künstler statt, die oft durch einflussreiche Akteure aus der Politik, den Medien und der Kultur unterstützt werden.

Ansturm auf afroamerikanische Künstler

In den USA ist ein Aufstieg und Erfolg von Werken afroamerikanischer Künstler zu beobachten. Die Preise steigen stark an, was ein Anzeichen für einen tief greifenden Trend ist und nicht für eine reine Modeerscheinung spricht. Der Aufruhr ist auf allen Ebenen spürbar: Einflussreiche Galerien positionieren sich neu, medienwirksame Prominente und Politiker kaufen und bestellen Werke, Museen bauen ihre Archive rund um afroamerikanische Künstler aus (insbesondere die „Smithsonian’s Archives of American Art“), es erfolgen immer mehr Ankäufe und Schenkungen (das „California African American Museum“ erhielt dieses Jahr eine private Schenkung mit 32 Werken afroamerikanischer Künstler, darunter auch Werke von Sam DOYLE, Jimmy Lee SUDDUTH und Purvis YOUNG), und es gibt Wartelisten für Werke von angesagten Künstlern, wie zum Beispiel Njideka Akunyili CROSBY.

Die Unterstützung durch Barack und Michelle Obama hat mit Sicherheit zu diesem Trend beigetragen … Noch während ihrer Zeit im Weißen Haus haben die Obamas Bilder von afroamerikanischen Künstlern aufhängen lassen, wie zum Beispiel Glenn LIGON, William Henry JOHNSON und Alma Woodsey THOMAS. Anschließend kamen die offiziellen Porträts für die National Portrait Gallery Washington. Dafür wählten sie zwei afroamerikanische Künstler aus: Kehinde WILEY und Amy SHERALD, deren moderne Werke die Presse und die öffentliche Meinung intensiv geprägt haben und deren Marktwerte durch die Aufmerksamkeit in den Medien zu Beginn des Jahres 2018 stark beeinflusst wurden.

Bevor Michelle Obama sie beauftragte, hatte Amy Sherald die Aufmerksamkeit der Kritiker nicht wirklich auf sich gezogen und war in der Kunstszene unbekannt. Seitdem sind ihr Stil und ihre Grau-Nuancen allerdings auf der ganzen Welt bekannt und Amy Sherald hat einen Vertrag mit der einflussreichen Galerie Hauser & Wirth unterzeichnet. Kehinde Wiley ist ein 40-jähriger Künstler mit amerikanischen und nigerianischen Wurzeln aus der Hip-Hop-Szene, der bereits in den USA und Frankreich bekannt war (er arbeitet seit einigen Jahren mit der Galerie Templon zusammen), bevor er mit dem Portrait von Barack Obama beauftragt wurde. Aber dieser Auftrag hat seinen Marktwert zweifelsohne beeinflusst und verhalf ihm dieses Jahr zu einem verdoppelten Auktionsrekord. Kehinde Wiley erreichte seinen Spitzenpreis von 300.000 $ für das Porträt Charles I, das für das Doppelte der bereits hohen Schätzung am 17. Mai 2018 bei Sotheby’s in New York verkauft

Top 3 Auktionsergebnisse von Kehinde Wiley

Titel Preis Datum Auktionshaus
Charles I (2018) 300.000 $ 17.05.2018 Sotheby’s New York
Madonna of the Rosary II (2007) 150.000 $ 16.11.2017 Christie’s New York
Charles I and Henrietta Maria (After Anthony Van Dyck) 143.000 $ 15.05.2014 Sotheby’s New York
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Die Werke von Kehinde Wiley befassen sich mit Fragen nach der Rassenidentität und sexuellen Identität, nach sozialem Rang und Macht, und er nutzt dafür Bildparodien, die sich auf die Kunstgeschichte beziehen. Diese direkten Bezugnahmen auf Ingres, Tizian, Rubens und Vélasquez überzeugen, indem sie die schwarze Person in alternativen und engagierten Visionen Platz nehmen lassen. Dies gilt auch für andere afroamerikanische Künstler, die ebenfalls die Regeln der westlichen Malerei entfremden, um die soziokulturellen und soziopolitischen Konstruktionen in puncto Hautfarbe offenzulegen. Die Sammler stürzen sich auf diesen „neuen Trend“, wie die außergewöhnlichen Zuschlagspreise für die Werke von Njideka Akunyili CROSBY, Barkley L. HENDRICKS und Kerry James MARSHALL bezeugen, die vor kurzem bei Auktionen erzielt wurden.

Marshall an der Spitze einer Generation von Afroamerikanern

Der in Los Angeles aufgewachsene Kerry James MARSHALL hat seinen Charakter inmitten der Emanzipationsbewegungen der Afroamerikaner geformt, was sich in seinen Werken widerspiegelt. Der Künstler verwendet Pigmente, wie Carbonschwarz, um die Figuren in den Kompositionen, welche die westliche Bildtradition von der Renaissance bis zur Moderne neu interpretieren, so schwarz wie möglich wirken zu lassen. Kerry James Marshall wird seit Anfang der neunziger Jahre vom Galeristen Jack Shainman vertreten und verdankt seine Bekanntheit vor allem der Biennale des Whitney Museum und der documenta in Kassel (1997). Zu Beginn der 2000er-Jahre wurde er durch die Wanderausstellung Méditations sur l’esthétique noire bei einem größeren Publikum in Amerika bekannt. 2013 wurde er von Barack Obama zum Mitglied des Komitees für Kunst und Geisteswissenschaften ernannt und wenige Monate später von der einflussreichen Galerie David Zwirner vertreten.

Dank der Hebelwirkung wurde sein Marktwert unmittelbar beeinflusst und so erzielte eines seiner Werke einen Zuschlagspreis in Millionenhöhe: Vignette erzielte am 13. November 2014 bei Christie’s den Zuschlagspreis von 1,025 Mio. $, während es 2007 bei Sotheby’s für 541.000 $ erworben worden war. Der Marktwert von Marshall stieg auf einen Spitzenwert an, der erst den Auftakt zu seinem zukünftigen Erfolg darstellen sollte. 2016 war das Jahr seiner ersten großen Retrospektive (Kerry James Marshall: Mastry im Museum of Contemporary Art in Chicago, im Museum of Contemporary Art in Los Angeles und bei Met Breuer in New York) und das Jahr, in dem der Künstler seinen vorherigen Rekord verdoppelte (Plunge, 2,1 Mio. $, Christie’s, 10. Mai 2016), bevor er ihn dieses Jahr um ein Vielfaches steigerte: Das Werk Past Times ist ein Gemälde mit einem beeindruckenden Format, auf dem die schwarzen Personen sich bei Freizeitaktivitäten vergnügen, die in der Regel mit der weißen Oberschicht in Verbindung gebracht werden – Krocket, Golf, Rudern – und an das Werk Le Déjeuner sur l’herbe von MANET erinnert.

Dieses Werk wurde am 16.Mai 2018 bei Sotheby’s für einen Betrag von 21,1 Mio. $ verkauft, d. h. neun Millionen über der hohen Schätzung, und stellt den absoluten Rekord eines afroamerikanischen Künstlers zu Lebzeiten dar. Dieses Gemälde, das im Jahr vor seiner Fertigstellung (1997) für 25.000 $ von der „Metropolitan Pier and Exposition Authority“ erworben worden war, ist der neueste bekannte Ankauf des kunstinteressierten Sean Combs, alias Puff Daddy, der bereits Werke von AI Weiwei, Andy WARHOL, Keith HARING und Jean-Michel BASQUIAT sein Eigen nennt.

Entwicklung des Auktionsumsatzes von Kerry James Marshall

Entwicklung des Auktionsumsatzes von Kerry James Marshall

In derselben Auktion bot Sotheby’s weitere Werke afroamerikanischer Künstler an, wie zum Beispiel Njideka Akunyili Crosby und Barkley Leonnard Hendricks, deren Ergebnisse die Schätzpreise ebenfalls weit hinter sich gelassen haben. Barkley L. HENDRICKS ging leider einige Monate zu früh von uns, um den Rekord von 2,1 Mio. $ – das Doppelte der hohen Schätzung – mitzuerleben, der am 16. Mai 2018 für sein Gemälde Brenda P erzielt wurde, das Brenda Payton im Jahr 1974 darstellt. Der 1945 geborene und im April 2017 verstorbene Künstler kehrte ebenfalls die Regeln und Techniken der alten Meister um, indem er in seinen Gemälden schwarze Personen in den Mittelpunkt stellte.

Die nigerianisch-stämmige Künstlerin Njideka Akunyili CROSBY (wohnhaft in Los Angeles) wurde 2016 entdeckt, als sie den Canson-Preis in New York erhielt. Im gleichen Jahr wurde ihr Werk zum ersten Mal auf Auktionen angeboten, kurz bevor eine Ausstellung in der renommierten Galerie Victoria Miro in London stattfand. Seitdem erzielt die Künstlerin Zuschlagspreise in Millionenhöhe und kann der Nachfrage kaum gerecht werden, die bis nach Hongkong reicht (7,5 % ihres Umsatzes gegenüber 62 % in den USA). Crosby erzielte letztes Jahr bei Christie’s in London einen Rekord in Höhe von 3 Mio. $ für ein Gemälde, das die große Schwester der Künstlerin in ihrer Jugend zeigt (The Beautyful Ones, März 2017). Gekauft hatte das Werk keine geringere als die dieses Jahr verstorbene Peggy Cooper Cafritz – eine Aktivistin, die sich für die Gleichberechtigung in Amerika einsetzte und eine große Sammlerin afroamerikanischer und afrikanischer Kunst war. Njideka Akunyili Crosby hatte die Profis des Kunstmarktes schnell überzeugt und wurde zur Vorreiterin dieser neuen Generation afroamerikanischer Künstler, die jetzt alle begeistern. Andere Künstler um die 30 Jahre folgen ihrem Beispiel und machen sich bei Auktionen einen Namen, darunter auch Adam Pendleton und Toyin Ojih Odutola, deren Preise derzeit in die Höhe schnellen.

Der 34-jährige Adam PENDLETON erzielte am 15. November 2017 einen neuen Rekord in Höhe von 225.000 $ für das auf 60.000 $ geschätzte (Black Dada (K), Christie’s New York). Seine Arbeiten haben bereits einflussreiche Galerien überzeugt, wie die Pace Gallery und Max Hetzler, wo er seit Anfang des Jahres 2018 unter Vertrag steht.

Die einige Monate jüngere Toyin Ojih ODUTOLA (geboren in Nigeria, aufgewachsen in Alabama und wohnhaft in New York) hat den Kunstmarkt im letzten Mai im Sturm erobert. Eine auf zwischen 10.000 $ und 15.000 $ geschätzte Zeichnung von 35 cm wurde bei Sotheby’s für 62.500 $ verkauft (From a Place of Goodness, 17. Mai 2018). Es handelt sich um ein wichtiges Jahr für diese vielversprechende Künstlerin, da eine Ausstellung im Whitney Museum (To Wander Determined, Oktober 2017 – Februar 2018) stattfand, und sie einen neuen Vertrag mit der Galerie Stephen Friedman einging.

Die afroamerikanische Szene unterliegt einer extrem schnellen Aufwertung, da sie sich zwischen den Museen, Galerien und Auktionssälen abspielt. Vor allem in New York und etwas weniger in Paris (Kehinde Wiley bei Templon) und in London, wo letztes Jahr in der Tate Modern eine Ausstellung über Afroamerikaner und den Kampf um Bürgerrechte in den USA stattfand (Soul of a Nation: Art in the Age of Black Power, Juli – Oktober 2017). In London wird weniger mit afroamerikanischen als mit afrobritischen Künstlern gearbeitet …

London und Paris: Auf zu neuen Rekorden

2014 erschien das Buch „Black Artists in British Art: A History Since the 1950s“ von Eddie Chambers, der damit eine Lücke schloss, indem er die Geschichte schwarzer Künstler in die britische Kunstgeschichte einfügte. Der Autor nennt insbesondere das „triumphierende Dreierbündnis“ Steve MCQUEEN (der erste schwarze britische Künstler, dem eine Soloausstellung im Institute of Contemporary Art in London gewidmet wurde), Yinka SHONIBARE und Chris OFILI – diese letzten beiden wurden dank des Einflusses der Galerie Saatchi und des Aufstiegs der Young British Artists Ende der neunziger Jahre entdeckt. Eddie Chambers nennt in seinem Buch außerdem seit Kürzerem gefeierte Künstler wie Lynette YIADOM-BOAKYE, die dieses Jahr einen Zuschlagspreis in Millionenhöhe erzielte.

Die 1977 in London geborene Künstlerin mit ghanaischen Wurzeln Lynette Yiadom Boakye untersucht die “schwarze Frage”, die sich infolge der britischen Kolonisation stellt. Zwei ihrer Werke erzielten in den letzten 12 Monaten in London über 300.000 $, während ein drittes, The Hours Behind You, die Auktionen in New York im November 2017 in die Höhe schießen ließ: Das beeindruckende Gemälde wurde auf 250.000 $ bis 350.000 $ geschätzt und wechselte zum Rekordpreis von 1,6 Mio. $ bei Sotheby’s den Besitzer. Die Begeisterung ist nach wie vor da und dieser Rekord steht nicht allein. Weitere afrobritische Künstler sind dieses Jahr in den Londoner Auktionssälen aufgefallen, insbesondere Yinka SHONIBARE, Henry TAYLOR und Hurvin ANDERSON.

Entwicklung des Auktionsumsatzes von Yinka Shonibare und Lynette Yiadom Boakye

Entwicklung des Auktionsumsatzes von Yinka Shonibare und Lynette Yiadom Boakye

Yinka SHONIBARE und Henry TAYLOR erzielten dieses Jahr jeweils einen Rekord von über 300.000 $. Am 7. März dieses Jahres war die Aufregung bei Christie’s während der Versteigerung einer Skulptur von Shonibare groß, welche die viktorianischen und afrikanischen Stile miteinander vereint, was für seine Arbeit so charakteristisch ist. Der geschätzte Preis des Werkes wurde mehr als verdoppelt und lag schließlich bei knapp 330.000 $ (Girl Balancing Knowledge, Christie’s London). Der Preisanstieg für Henry Taylor ist ebenso beeindruckend, dessen Rekord sich innerhalb von zwei Jahren verdoppelt hat. Taylor erzielte am 26. Juni diesen Jahres einen Spitzenpreis von 362.000 $ (C&H, bei Sotheby’s London) und überschritt eine Million Dollar an Gesamtumsatz, wodurch er auf den 172. Platz der Weltrangliste kletterte. Seine Porträts von Afroamerikanern haben auch die Jury des Robert-de-Niro-Preises dieses Jahr überzeugt sowie den Direktor der Galerie Blum & Poe, mit der der Künstler kürzlich eine Zusammenarbeit einging. Seine Gemälde waren vor 10 Jahren noch für 10.000 $ zu haben und sind inzwischen so begehrt und wertvoll wie noch nie.

In den Top 20 der neuen Weltrekorde tummelt sich auch Hurvin ANDERSON: Er erzielte einen Zuschlagspreis von 3,4 Mio. $ und übertraf damit die hohe Schätzung um 2 Millionen (Country Club: Chicken Wire, Christie’s London, 6. Oktober 2017). Dies macht ihn zu einem ebenso begehrten Künstler wie die amerikanische Entdeckung Njideka Crosby. Der 1965 in Birmingham geborene Hurvin Anderson, Sohn jamaikanischer Eltern, untersucht die Frage der Identität, der Gemeinschaft und des Erbes seiner afroantillianischen Kultur. Er nimmt in seinen neuesten Werken sehr offen Bezug zu Malcolm X und Martin Luther King, wie in seinem Gemälde Is it OK to be black?, das in der Tate Modern in London infolge seiner Nominierung für den Turner Prize 2017 ausgestellt wurde. Auch wenn er nicht mit dem Turner Prize ausgezeichnet wurde, hat Hurvin Anderson einen großen Nutzen aus der Aufmerksamkeit gezogen, die ihm dadurch zuteil wurde, insbesondere in Bezug auf Auktionen.

Top 20 Neue persönliche Auktionsrekorde zeitgenössischer Künstler

Künstler Titel Preis Auktion
1 CHEN Yifei (1946-2005) Warm spring in the jade pavilion (1993) 22.640.280 $ 19.12.2017 China Guardian Peking
2 Kerry James MARSHALL (1955) Past Times (1997) 21.114.500 $ 16.05.2018 Sotheby’s New York
3 Mark BRADFORD (1961) Helter Skelter I (2007) 11.979.851 $ 08.03.2018 Phillips London
4 Mark TANSEY (1949) Source of the Loue (1988) 7.453.600 $ 16.05.2018 Sotheby’s New York
5 Robert GOBER (1954) Untitled (1993-1994) 7.287.500 $ 17.05.2018 Christie’s New York
6 Antony GORMLEY (1950) A Case for an Angel I (1989) 6.911.977 $ 06.10.2017 Christie’s London
7 Cecily BROWN (1969) Suddenly Last Summer (1999) 6.776.200 $ 16.05.2018 Sotheby’s New York
8 ZHOU Chunya (1955) Chinese tone (1992) 6.743.740 $ 19.06.2018 China Guardian Peking
9 George CONDO (1957) Nude and Forms (2014) 6.162.500 $ 17.05.2018 Christie’s New York
10 QIU Hanqiao (1958) Mountain rhyme
5.751.438 $ 22.07.2017 Hangzhou Jiashi Hangzhou
11 AI Xuan (1947) Aspirant (1980) 3.762.296 $ 19.06.2018 China Guardian Peking
12 Hurvin ANDERSON (1965) Country Club: Chicken Wire (2008) 3.456.804 $ 06.10.2017 Christie’s London
13 WANG Yancheng (1960) Untitled (2014) 2.784.288 $ 16.12.2017 Poly International Peking
14 REN Zhong (1976) Nine dragons and sea (2018) 2.760.406 $ 30.04.2018 Council Shanghai
15 Jonas WOOD (1977) Maritime Hotel Pot with Aloe (2014) 2.292.500 $ 18.05.2018 Christie’s New York
16 Barkley L. HENDRICKS (1945-2017) Brenda P (1974) 2.175.000 $ 16.05.2018 Sotheby’s New York
17 XUE Liang (1956) Landscape (2012) 2.143.595 $ 15.06.2018 Beijing Council Peking
18 Laura OWENS (1970) Untitled (2012) 1.755.000 $ 16.11.2017 Sotheby’s New York
19 Lynette YIADOM-BOAKYE (1977) The Hours Behind You (2011) 1.575.000 $ 16.11.2017 Sotheby’s New York
20 Julian SCHNABEL (1951) Ethnic Type #14 (1984) 1.452.500 $ 15.11.2017 Christie’s New York
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Sowohl in New York als auch in London manifestiert sich der Anstieg an Rekorden in diesem jungen Markt mit afrikanischen Einflüssen. Darüber hinaus stammen die Käufer nicht nur aus dem Westen. Die Auktionshäuser verzeichnen Auktionen vom afrikanischen Kontinent aus, insbesondere aus Johannesburg, Lagos und Accra.

In Frankreich liegen die Preise für Werke zeitgenössischer afrikanischer Künstler weit unter denen der USA und Großbritannien. Der ansteigende Trend ist allerdings auch dort greifbar.  Als Beispiel wären die zwei Auktionsrekorde für den kongolesischen Künstler MOKE im Laufe des Jahres 2017 zu nennen: 51.000 $ für Bar nocturne und 38.000 $ für Classe des femmes, zwei Werke, die im April und Dezember 2017 bei Cornette de Saint Cyr in Paris versteigert wurden. Dieser wichtige Maler der Schule von Kinshasa bleibt, genau wie Chéri SAMBA und Chéri CHÉRIN weit von den Preisen der amerikanischen oder britischen Künstler der Diaspora entfernt. Sein Markt ist allerdings nicht weniger stabil.

Auch der senegalesische Fotograf Omar Victor DIOP, der sich von der westlichen Kunst bzw. Modefotografen wie Richard AVEDON inspirieren lässt, erzielte einen Rekord. Der Künstler wurde 2011 in Bamako entdeckt und ist der würdige Nachfolger großer afrikanischer Porträtisten, wie Seydou KEITA und Malick SIDIBÉ. Seine Serie Diaspora (2014), in der er Personen der afrikanischen Diaspora porträtierte, war ein durchschlagender Erfolg. Ein Werk aus ebendieser Serie erzielte am 30. Dezember 2017 den Rekordpreis von 25.000 $ (Omar Ibn Said; Série Diaspora, Thematische Auktion Paris#Marrakech: African spirit d’Artcurial). Der Marktwert des Künstlers hätte eine andere Dimension, wenn seine Werke auf den angelsächsischen Märkten gehandelt würden. Zurzeit sind sie dem Pariser Markt vorbehalten, wo die Werke von Diop begehrt sind und immer einen Käufer finden.

Zwischen der geduldigen Arbeit an der Aufwertung des zeitgenössischen afrikanischen Kunstmarktes in Frankreich und der Begeisterung für Künstler der Diaspora, welche die USA und Großbritannien fesselt, lässt es sich nicht von der Hand weisen, dass der internationale Markt sich öffnet. Er zeigt eine bisher nie da gewesene Leistung: 21,1 Mio. $ für ein Werk von James MARSHALL – ein absoluter Rekord für einen afroamerikanischen Künstler zu Lebzeiten, welcher den Optimismus und das Engagement der Auktionshäuser nur weiter verstärken wird.